Das Geld der einen sind die Schulden der anderen: Das System von Zins und Profit

Unser modernes Wirtschaftssystem basiert auf einer engen Verflechtung von Geld und Schulden. Jede geschaffene Geldmenge entspricht einer Schuld, die von jemand anderem aufgenommen werden muss. Dieses Prinzip bildet das Fundament des heutigen Finanzsystems und erzeugt eine Dynamik, die ein stetiges Wachstum der Geldmenge erfordert – mit tiefgreifenden sozialen, wirtschaftlichen und geopolitischen Auswirkungen.

Geld als Schuld

In unserem System entsteht Geld vor allem durch die Kreditvergabe der Banken. Ein verliehener Kredit schafft neues Geld, das jedoch keine freie Ressource ist, sondern eine Verpflichtung darstellt. Diese muss durch Rückzahlung – meist inklusive Zinsen – erfüllt werden. Für jeden Euro, der in Umlauf gebracht wird, entsteht somit eine gleichwertige Verbindlichkeit.

Die Zinsforderung verstärkt dieses Prinzip. Schuldner müssen nicht nur den geliehenen Betrag zurückzahlen, sondern auch die Zinsen darauf. Dies bedeutet, dass mehr Geld benötigt wird, als ursprünglich geschaffen wurde. Um diese Differenz auszugleichen, muss entweder die Produktivität drastisch gesteigert werden oder neues Geld durch weitere Kredite in Umlauf kommen. Dies führt zu einem Kreislauf, in dem die Gesamtschulden stetig wachsen – ein Phänomen, das sich weltweit beobachten lässt.

Die Wachstumslogik

Ein System, das auf Zins und Profit basiert, benötigt Wachstum, um stabil zu bleiben. Unternehmen streben Wachstum an, um Gewinne zu sichern und ihre Aktionäre zufrieden zu stellen. Staaten benötigen wirtschaftliches Wachstum, um Haushaltsdefizite zu finanzieren und soziale Programme aufrechtzuerhalten. Banken wiederum setzen auf Wachstum, um die Rückzahlung von Krediten und die Vergabe neuer Darlehen zu ermöglichen.

Dieses Wachstumsparadigma stößt jedoch auf natürliche Grenzen. Ressourcen, Märkte und menschliche Bedürfnisse sind begrenzt. Zudem wächst die Geldmenge häufig schneller als die reale Wirtschaft. Wenn die Wirtschaft stagniert oder schrumpft, steigen Zahlungsausfälle und Insolvenzen – die Stabilität des Systems gerät in Gefahr.

Neue Schuldner um jeden Preis

Um das System am Laufen zu halten, wird die Suche nach neuen Schuldnern zur Priorität. Hierzu werden verschiedene Strategien verfolgt:

  1. Privatverschuldung: Haushalte werden ermutigt, Kredite für Immobilien, Konsumgüter oder Bildung aufzunehmen. Dies kurbelt die Wirtschaft kurzfristig an, führt jedoch zu langfristigen Abhängigkeiten.
  2. Staatliche Verschuldung: Regierungen verschulden sich, um Infrastruktur, Sozialprogramme oder Militärausgaben zu finanzieren. Dies stützt das Finanzsystem und schafft Nachfrage nach Staatsanleihen.
  3. Erschließung neuer Märkte: Durch Globalisierung und die Integration neuer Märkte entstehen zusätzliche Schuldner. Entwicklungsländer werden häufig in Kredite gedrängt, die sie kaum zurückzahlen können, was zu Abhängigkeiten führt.
  4. Geopolitische Konflikte: Wenn andere Optionen fehlen, können Kriege und Konflikte als Mittel dienen, um die Nachfrage nach Krediten anzukurbeln. Rüstungsprogramme und der Wiederaufbau zerstörter Regionen schaffen neue Schulden und damit neues Geld.

Die Konsequenzen

Dieses System führt zu einer ständigen Umverteilung von Vermögen. Auf der einen Seite häufen sich gigantische Kapitalmengen an, während auf der anderen Seite die Schuldenlast wächst. Die soziale Ungleichheit verstärkt sich, und wirtschaftliche Krisen werden wahrscheinlicher.

Geopolitische Spannungen und Konflikte sind oft direkte oder indirekte Folgen dieses Systems. Staaten, die ihre Schulden nicht mehr bedienen können, geraten unter Druck. Dies kann politische Instabilität und sogar militärische Auseinandersetzungen nach sich ziehen.

Ein alternatives Paradigma?

Die zentrale Frage lautet: Gibt es Alternativen? Ein Wandel erfordert tiefgreifende strukturelle Veränderungen und trifft auf den Widerstand jener, die vom aktuellen System profitieren. Dennoch ist ein Umdenken notwendig, um gerechtere und nachhaltigere Strukturen zu schaffen.

Fazit

Das gegenwärtige Finanzsystem ist auf kontinuierliches Wachstum angewiesen und benötigt stets neue Schuldner, um stabil zu bleiben. Diese Dynamik führt nicht nur zu wirtschaftlicher Ungleichheit, sondern birgt auch das Risiko sozialer und geopolitischer Konflikte. Ein grundlegendes Umdenken hin zu alternativen Wirtschaftsmodellen ist dringend erforderlich, um langfristige Stabilität und Gerechtigkeit zu gewährleisten.

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